Barack Obama, das arme Opfer?

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Schuld am eskalierenden Schuldenstreit in den USA tragen alle. Nur die regierenden Demokraten nicht. So sieht man das jedenfalls in Österreich.

Wer sich dieser Tage vom ORF-Radio den US-Schuldenstreit erklären ließ, dürfte längst am Rande der Verzweiflung gelandet sein: Ein paar obskure Hinterwäldler in den Reihen der Republikaner hindern nämlich den redlichen US-Präsidenten Barack Obama daran, die Weltwirtschaft vor dem Untergang zu retten. Der rechte Rand der Republikaner blockiert die Initiative der Demokraten, das in der Verfassung festgezurrte Schuldenlimit um ein paar Billionen anzuheben.

Nun möchte man meinen, dass es grundsätzlich ja eher Sache der jeweils amtierenden Regierung sei, die Zahlungsfähigkeit eines Landes sicherzustellen. Bei Barack Obama, dem in Europa noch immer alle Herzen zufliegen, ist das freilich etwas anderes. So wird der US-Präsident kurzerhand zum bemitleidenswerten Opfer kleinlicher Oppositioneller hochstilisiert, die nichts anderes im Sinn hätten, als die Reichen vor höheren Steuern zu schützen, wofür sie notfalls auch die Pleite des gesamten Landes riskierten.

Und dann kam Bush. Bestätigt wird diese Sicht der Dinge vom renommierten, wenn auch nicht ganz neutralen US-Ökonomen Joseph Stiglitz. Der Nobelpreisträger des Jahres 2001 weiß, woran es krankt: Die Weltwirtschaft wird von einer rechtsgerichteten Wirtschaftslehre verseucht, die allerorts ein Feld der Verwüstung hinterlässt. So sei es einzig dieser stupiden Ideologie geschuldet, dass die USA vor der Pleite stehen, wie Stiglitz ausführt. Vor nicht einmal zehn Jahren noch fielen im US-Haushalt derart hohe Überschüsse an, dass schon von einer kompletten Entschuldung des Landes geträumt werden durfte. Dann aber kam der kriegslüsterne George W. Bush, der mit dem sündteuren Feldzug am Golf und Steuerentlastungen für Superreiche den von Bill Clinton erwirtschaften Vorsprung verspielte.

Nun wird niemand bestreiten, dass die Wirtschaftspolitik von George W. Bush alles andere als erfolgreich war. Der Mann war ein „Rüstungskeynesianer“ allererster Güte. In seinen Reden huldigte er liberalen Ökonomen, in der täglichen Arbeit warf er das Geld bei den Fenstern des Weißen Hauses hinaus. Am Ende seiner Amtszeit stand eine fragile Konjunktur, mit einer Staatsschuld, die Bush von fünf auf zehn Billionen Dollar verdoppelt hatte.

An dieser Stelle legen Kommentatoren und Ökonomen gern die Statistiken beiseite. Das könnte daran liegen, dass sie sonst Dinge zu sehen bekämen, von denen sie nichts wissen wollen. Etwa, dass die Staatsschulden mittlerweile bei 14,5 Billionen Dollar liegen. Brauchte also der „böse“ Bush acht Jahre, um die Verbindlichkeiten von fünf auf zehn Billionen zu erhöhen, schaffte der „gute“ Obama in zweieinhalb Jahren eine Steigerung um 4,5 Billionen. Der eine erklärte die eskalierende Verschuldung mit 09/11 und dem Irak-Krieg, der andere mit der kostspieligen Finanzkrise, Afghanistan und nötigen Sozialprogrammen.

Das alles nährt freilich den Eindruck, dass die USA nicht so sehr von einer „rechtsgerichteten Wirtschaftslehre“ an den Rand der Pleite geführt wurden. Sondern von verantwortungslosen Republikanern und Demokraten. Mit dem feinen Unterschied natürlich, dass ein und dieselbe falsche Handlung dann richtig ist, wenn sie von den „Guten“ durchgezogen wird. Was aber nichts daran ändert, dass sich die Außenstände der USA seit dem Jahr 2000 nahezu verdreifacht (!) haben.

Setzt man die Verbindlichkeiten in Relation zur jährlichen Wirtschaftsleistung, sind die USA derzeit mit 98,3 Prozent verschuldet. Klarerweise könnte man den Spitzensteuersatz von derzeit 31 Prozent anheben, um ein wenig gegenzusteuern. Wer allerdings meint, die Reichen zahlten in den USA ohnehin kaum Steuern, irrt. Das oberste Prozent der Einkommensbezieher vereint rund ein Fünftel aller Einkommen, trägt dafür aber auch 40 Prozent der gesamten Steuerlast.

Um den Staat davor zu bewahren, seine Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, haben die oppositionellen Republikaner in der Nacht auf Samstag eine Anhebung des Schuldenlimits um 900 Milliarden Dollar angeboten. Was die Demokraten im Senat keine zwei Stunden später ablehnten. Präsident Obama hatte zuvor ein Veto angedroht. Mit 900 Milliarden Dollar wäre die Finanzierung nämlich bestenfalls für ein Jahr gesichert gewesen. Womit die USA mitten im Präsidentschaftswahlkampf 2012 wieder vor der Pleite gestanden wären. Aber klar: Schuld am Scheitern des Kompromisses sind natürlich wieder alle. Nur die regierenden Demokraten nicht.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)

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